Collège de ’Pataphysique
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Einführung

DIE ’PATAPHYSIQUE
Die weitreichendste und tiefgründigste aller Wissenschaften, diejenige die sie übrigens alle enthält, ob sie es wollen oder nicht, die ’Pataphysik oder die Wissenschaft der imaginären Lösungen wurde von Alfred Jarry in der bewundernswerten Person des Doktor Faustroll verkörpert. Die Heldentaten und Lehren des Dr. Faustroll, Pataphysiker, verfasst zwischen 1897 und 1898 und erschienen im Jahr 1911 (nach dem Tod von Alfred Jarry), umfassen sowohl die Prinzipien als auch die Ziele der ’Pataphysik, der Wissenschaft des Besonderen, der Wissenschaft der Ausnahme (natürlich unter dem Vorbehalt dass es auf der Welt nur Ausnahmen gibt und dass die „Regel“ eben eine Ausnahme der Ausnahme darstellt; was das Universum betrifft, so definierte Faustroll es als das, was „die Ausnahme seiner selbst ist“).
Diese Wissenschaft der Jarry seine Leben gewidmet hat, üben alle Menschen aus ohne es zu wissen. Viel eher noch könnten sie auf das Atmen verzichten. Wir finden die Pataphysik in den exakten oder in den nicht exakten Wissenschaften (man wagt es kaum zu gestehen), in den schönen und hässlichen Künsten, in den literarischen Aktivitäten und Inaktivitäten aller Art. Öffnen Sie die Zeitung, schalten Sie das Radio oder das Fernsehen an, browsen Sie im Internet, reden Sie: Alles Pataphysik!
Die Pataphysik ist die eigentliche Substanz dieser Welt.

DAS COLLÈGE
Das Collège de ’Pataphysique wurde im Jahr 1948 des allgemein üblichen Zeitalters ins Leben gerufen um diese Probleme, die wichtigsten und die ernsthaftesten von allen zu untersuchen: die einzig wichtigen und die einzig ernst zu nehmenden. Lassen Sie sich nicht täuschen: es geht nicht darum, wie die Einfältigen glauben die Jarry für einen satirischen Autor halten, die menschlichen Aktivitäten und kosmische Realität aufzudecken, es geht nicht darum, einen spöttischen Pessimismus und einen ätzenden Nihilismus zur Schau zu stellen. Im Gegenteil, es gilt, die vollkommene Harmonie aller Dinge und die darin liegende tiefe Übereinstimmung der Geister (oder derer die als Ersatz dienen, aber das ist unerheblich) aufzudecken. Es geht für einige darum, das bewusst zu machen was alle unbewusst tun.
Das Collège de ’Pataphysique richtet sich und kann sich nur an eine Minderheit richten. Seine Studien besitzen einen mehrdeutigen Charakter. Der oberflächliche Bobachter belustigt sich, bisweilen sogar aus vollem Herzen: er glaubt ein grausames Dummheiten-Brevier, so manche geschmacklose oder sogar subtile Scherze, die gnadenlose Bloßstellung, eine Reihe von pikanten Raritäten oder Kuriositäten zu entdecken … Hat er Unrecht?
Derjenige jedoch, der genauer hinschaut und eine Zeitlang diese Arbeiten verfolgt, stellt nach und nach fest dass sie einem Gesamtbild und einer ganz neuen Psychologie entsprechen die weit über das Lachen und vielleicht sogar über das Lächeln hinausgeht. Jarry war unerschütterlich.

DIE VERÖFFENTLICHUNGEN
Die Veröffentlichungen des Collège de ’Pataphysique umfassen eine Zeitschrift, deren gemeinsamer Titel Viridis Candela lautet und deren Untertitel nacheinander aus den Cahiers, Dossiers, Subsidia Pataphysica und dann während der Okkultation (1975 – 2000) aus den vom Cymbalum Pataphysicum herausgegebenen Organographes, Monitoires und Expectateur bestehen, danach aus den Carnets trimestriels, Correspondancier, Publicateur und in seiner aktuellen Form aus den Spéculations. Sie enthalten hauptsächlich bisher unveröffentlichte Dokumente, fundierte Studien, pataphysische Spekulationen, Offenbarungen der ungewollten Pataphysik, Fortsetzungsgeschichten, aktuelle Untersuchungen zu denen die Leser eingeladen sind ihren eigenen Beitrag zu liefern. Im Nachhinein kann man feststellen dass diese Studien weiteichend zum Verständnis von Alfred Jarry’s, Raymond Roussel’s und Julien Torma’s Werk beigetragen haben; dass das Collège nicht nur der erste Herausgeber der Theaterwerke von Eugène Ionesco (La Cantatrice chauve) und Boris Vian (Les Bâtisseurs d’empire) war, sondern auch der Übungen des Oulipo und der anderen Werkstätten, und dass sich im Laufe der verschiedenen Themen – von der Kunst der Beleidigung bis hin zur Biographie der Heiligen des pataphysischen Kalenders, vom Schüttelreim bis zur Merdezin, von der Kriminalliteratur bis zur potentiellen Politik, von dem Tiefgang der Arche Noah bis zur Feier des Körperhaars, von der Ironie Homers bis zum Gödel’schen Theorem - ein ganzes Lehrwerk der Pataphysik abzeichnet, das als Filigran erscheint. Der Irrsinn ist ein universelles Phänomen und die Wissenschaft dieses Irrsinns ist es in gleicher Weise. Aus diesem Grunde sind diverse Institute des Collège‘s in zahlreichen Gegenden der Welt entstanden (in Argentinien, Mailand, Limburg, Deutschland, Schweden, London, Spanien, Neapel, Holland, China…). Zahlreiche Übersetzungen und Anthologien in tschechischer, slowakischer, schwedischer, englischer, italienischer, deutscher, nanterrischer, polnischer, spanischer, holländischer, arabischer, chinesischer und kosovarischer Sprache beweisen, dass die Welt gemäß der Prophezeiung Seiner Magnifizenz des Gründers und Vize-Kurators in ihrer ganzen Ausdehnung das wirkliche Collège de ’Pataphysique ist.

PRIVILEGIEN
Die regulär eingeschriebenen Mitglieder des Collège‘s erhalten jährlich vier Nummern der Viridis Candela und außerdem zwei interne Veröffentlichungen die nicht im Handel erhältlich sind. Letztere sind nicht unbedingt auf die Schriftform begrenzt. Briefmarken, Postkarten, Plakate, Kassetten, CDs, Kleidungsstücke, verschiedene Artefakte oder auch Portfolios mit Originalgrafiken wurden in der Vergangenheit bereits den Mitgliedern angeboten. Dieselbigen Mitglieder haben außerdem das Recht zu jeder Tages- als auch zur Nachtzeit das Abzeichen des Collège‘s zu tragen, an seinen Sitzungen und Manifestationen sowohl öffentlicher als auch privater Natur teilzunehmen, den pataphysischen Kalender zu benutzen usw. Ihren (pataphysischen) Verdiensten gemäß oder entsprechend der von ihnen geleisteten Dienste haben sie außerdem die Aussicht, der Hierarchie beizutreten, in den Orden der Grande Gidouille aufgenommen zu werden und mit der Anwesenheit des Collège‘s anlässlich ihrer jeweiligen Bestattung geehrt zu werden. Sie genießen das Privileg dem Collège Phynanzbeiträge zu leisten.